Mittwoch, 25. März 2020

Helmut Dahmer, Pestzeit


Der österreichische Bubikanzler hat die Grünen schon einbalsamiert. Die schwören nun ganz laut auf die neueste Volks- als Solidargemeinschaft. Alle gegen die Seuche. Die ist eine Art Meteorit oder Vulkanausbruch, vom Himmel gefallen oder als Erdgeist aufgetaucht, und reitet nun (neben Ritter, Tod und Teufel) auf allen Handelswegen, Touristen- und Migranten-„Strömen“ blitzschnell von Kontinent zu Kontinent, von Land zu Land, springt über alle chinesischen, amerikanischen, ungarischen und israelischen Mauern und Zäune, gerade so, wie in den alten Pestberichten – bei Boccaccio und Poe, bei Stifter („Granit“) und J. P. Jacobsen („Die Pest in Bergamo“), vor allem (und uns am nächsten) aber bei Camus (La Peste mit dem tapferen Dr. Rieux), der freilich (1947) vor allem die braune Pest im Auge hatte. Alle Nationalen sehen jäh ihren Traum erfüllt: Schlagbäume runter, Migranten & Viren draußen halten: Ach, wenn doch immer Pestzeit wäre… - wir könnten dann ganz unter uns zugrunde gehen. Und, wie bei der „Bankenkrise“ neulich: Kleine und mittlere Unternehmen erhalten Soforthilfe, nicht aber kleine und mittlere Schuldner, Arbeitslose, Kurzarbeiter, Obdachlose, nicht zu reden von ärmeren Kinderreichen, Flüchtlingen, Migranten, Asylanten... Und siehe da: Die ökonomisierten und privatisierten Gesundheitssysteme sind (kaum überraschend) nicht epidemiefest. Da schauen viele voll Sehnsucht nach Fernost, wo die Postmaoisten (also die noch nachglimmende „rote Gefahr“ im „Ameisen“- und Überwachungsstaat) sich der akuten „gelben“ Gefahr so trefflich mit dem Rapidbau von Krankenhäusern in Wuhan bewährt haben. Ja, die schaffen das, so wie sie es in Tibet und in Sinkiang schaffen. Also: Grenzen dicht und Freiwillige vor! Ob Pest, ob Tschernobyl, ob Fukushima. Das ist die Tageslosung, und alle Autoritären atmen auf… Sie brauchen den Ausnahmezustand, nicht die schwerfällige (parlamentarische) Demokratie. Es ist der Tag der Disziplinierer und ihres Gegenstücks, der Paranoiden, die (wie immer) nach den „wahren Schuldigen“ suchen. Wollte nicht „Soros“ ohnehin den Bevölkerungsaustausch, sind nicht die Viren dem oder jenem Geheimlabor entflohen, haben nicht die „Migranten“ sie eingeschleppt, sind nicht vielleicht doch die 68er schuld, die die laxen Sitten eingeführt (!) haben und die Volksgemeinschaftsdisziplin ruinierten, die noch die (Ur-)Großväter im totalen Krieg bis ganz zuletzt so gut bei der Stange hielt, dass sie (1945) nicht im Traum daran dachten, sich statt um Führer, Kanzler und Volksgemeinschaft um Haben & Nichthaben, Herr & Knecht zu kümmern…

(Wien, 16. 3. 2020)