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Samstag, 7. April 2018

Mai 68: La brèche


Einmal mehr naht sie wieder: die Zeit der Nachrufe auf "1968". Bei dieser Gelegenheit soll hier auf einen der meiner Ansicht nach luzidesten Versuche, sich einen Reim auf dieses Datum zu machen, hingewiesen und seine Lektüre empfohlen werden, und zwar zur Abwechslung einen zeitgenössischen: Unter dem Titel Mai 68: La brèche publizierten Edgar Morin, Claude Lefort und Cornelius Castoriadis (unter dem Pseudonym Jean-Marc Coudray) bereits im selben Jahr ihre Analysen des "Pariser Mai". Der Beitrag von Castoriadis trägt den Titel "La révolution anticipée", "Die vorweggenommene Revolution".

"Der 'Mai 68' schlug eine Bresche ins Gebäude der herrschenden kapitalistischen Unordnung und öffnete den Weg zu einem selbstbestimmten Leben. Geblieben davon ist vor allem ein wiederkehrendes Jubiläumsspektakel. Cornelius Castoriadis hat in 'Die vorweggenommene Revolution' bereits inmitten der 'Ereignisse' die ambivalente Bedeutung des 'Mai 68' hellsichtig analysiert: die Fluchtlinien einer autonomen Gesellschaft, die sich hier abzeichneten, aber auch die Gefahren der Vereinnahmung und Erneuerung von Herrschaft. 20 Jahre später hat er in einer Polemik gegen postume Verfälschungen ('Die Bewegungen der sechziger Jahre') nochmals energisch auf die vergessene emanzipatorische Bedeutung hingewiesen. Deren Wiederbelebung ist heute überfällig - und dafür enthalten die beiden Castoriadis-Texte wertvolle Anregungen."

So steht es auf dem Umschlag des vor zehn Jahren im Verlag Syndikat-A erschienenen Bändchens Mai 68 | Die vorweggenommene Revolution, das die beiden Aufsätze von Castoriadis enthält und immer noch lieferbar ist. Auch Claude Leforts Beitrag zu dem Gemeinschaftswerk ist damals - unter dem Titel Die Bresche - in deutscher Übersetzung erschienen. Sie haben über die bleibende Bedeutung der damaligen politischen Explosion immer noch mehr zu sagen als ein Großteil der späteren und heutigen Darstellungen und Aufbereitungen.  

Montag, 6. Juni 2016

Andrea Gabler/Harald Wolf, An Anthology Unpublished: Who Is Afraid of "Socialisme ou Barbarie"?


Once upon a time, in the 50s and 60s of the bygone century, there were some bold people united in a tiny revolutionary group in France calling itself „Socialisme ou Barbarie“ („Socialism or Barbarism“). In dark times, in a journal of the same name they published seminal analyses of the Eastern and Western capitalistic systems of oppression and exploitation calling out to sabotage and abolish these systems.

A decade ago (2007), former members of „Socialisme ou Barbarie“ - Helen Arnold, Daniel Blanchard, Enrique Escobar, Daniel Ferrand, Georges Petit, and Jacques Signorelli - edited an anthology of texts published in the journal in the French publishing house Acratie (La Bussière), with texts, amongst others, by Cornelius Castoriadis, Claude Lefort, Jean-François Lyotard, and Daniel Mothé. Now, after a long time and initiated by David Curtis, for many years the translator and editor of Castoriadis’ writings, and by Richard Greeman, director of the International Victor Serge Foundation, there should have been published an extended English edition of this anthology, translated by Curtis, at Pluto Press, London.

But the publication of this edition, already announced in the autumn preview of Pluto Press, is now being stopped. The contracts on which this project was based were nullified in an apparently unilateral manner by the Victor Serge Foundation and Pluto Press. A grave act indeed, for which one can expect explanatory statements. What has happened?
(Here you can continue [PDF].)

Dienstag, 14. Januar 2014

Vor 50 Jahren: "Der eindimensionale Mensch" und...

Vor 50 Jahren, 1964, erschien Herbert Marcuses One Dimensional Man. Marcuses "Studien zur Ideologie der fortgeschrittenen Industriegesellschaft" wurden in der sich radikalisierenden Studentenbewegung - so will es zumindest die Folklore - intensiv studiert und diskutiert. Das Buch hat viele Neuauflagen erlebt, in Deutschland, wo die Kritische Theorie für die Studenten- und Jugendbewegung besonders wichtig war, aber auch in Frankreich. Dort scheint ihm seinerzeit allerdings - zumindest von den Aktivisten des Mai 68 - doch weniger Aufmerksamkeit zuteil geworden zu sein. "Wie Daniel Cohn-Bendit mir (…) damals erzählte", so Detlev Claussen anlässlich des Publikationsjubiläums des Eindimensionalen Menschen jüngst in der taz: "Kein Mensch hatte bei uns das Ding gelesen."

Das heißt ganz sicher nicht, dass die Franzosen, zumal die sich politisch radikalisierenden, damals nicht gelesen hätten. Aber sie haben einen etwas anderen Lesestoff bevorzugt - auch Daniel Cohn-Bendit, der seinerzeit - tempora mutantur! - in Frankreich bekanntlich eine Galionsfigur der studentischen Revolte und Mitglied der wichtigen "Bewegung des 22. März" war: Sein Bruder Gabriel und er haben inmitten der 68er "Ereignisse" schon stolz darauf hingewiesen, dass ihre politischen Vorstellungen sich maßgeblich auf die Thesen gründen würden, die sie bei Cornelius Castoriadis, Daniel Mothé und Claude Lefort in der Zeitschrift Socialisme ou Barbarie gefunden hätten. "Wir sind nur Plagiatoren der revolutionären Theorie und Praxis der letzten fünfzig Jahre, die in der einen oder anderen Weise durch diese Zeitschriften [sie nennen neben S. ou B. u. a. noch 'Internationale situationniste', 'Informations et correspondences ouvrières' und 'Noir et Rouge'] vermittelt wurden." (Daniel und Gabriel Cohn-Bendit, Linksradikalismus. Gewaltkur gegen die Alterskrankheit des Kommunismus, Reinbek bei Hamburg 1968, S. 19) Wer mag, findet hier noch etwas mehr Material über solche und andere Rezeptionszusammenhänge.